Was ist besser: Das ETF-Portfolio nach BIP zu gewichten oder nach Marktkapitalisierung? Gehen wir dieser Frage einmal auf den Grund. Grundsätzlich ist die Idee hinter einem breit gestreuten ETF-Portfolio, dass man die tatsächliche Wertentwicklung der Weltwirtschaft abbildet. Die meisten großen Weltindizes gewichten ihr Portfolio nach der Streubesitz-Marktkapitalisierung der einzelnen Unternehmen. Dies führt dazu, dass beispielsweise die USA im MSCI World mit einem Anteil von aktuell 66% vertreten sind. Ein Kritikpunkt, der recht häufig zu vernehmen ist.
Gewichtung nach Marktkapitalisierung
Bei der Gewichtung nach der Marktkapitalisierung sind die einzelnen Unternehmen entsprechend ihrem Anteil an der gesamten Marktkapitalisierung der im Index enthaltenen Unternehmen vertreten. Die Marktkapitalisierung ergibt sich aus dem Börsenpreis multipliziert mit der Anzahl der ausgegebenen Aktien. Die Gesamtheit der ausgegebenen Aktien, die von Investoren erworben werden können, nennt man auch Streubesitz. Es gibt nicht selten zudem Aktien, die nicht dem freien Handel offenstehen. Diese werden nicht in die Berechnung der Marktkapitalisierung einbezogen, weswegen man genau genommen von Streubesitz-Marktkapitalisierung spricht, wenn es um die Gewichtung innerhalb von Indizes geht.
Die Marktkapitalisierung entspricht also schlicht dem Börsenwert des betrachteten Unternehmens. Je höher er ist, desto höher ist erfolgt auch die Gewichtung im Index. So kommt es, dass die US-Unternehmen Apple, Microsoft, Facebook A sowie Alphabet A und Alphabet C am MSCI World Index bereits einen Anteil von mehr als 13% haben, wie im Factsheet des Index nachzulesen ist.
Auf Länderebene ist es in der Folge so, dass die Industrieländer einen Anteil von 88% an der Marktkapitalisierung der Weltwirtschaft haben, die Schwellenländer einen von 12%.
Vorteil der Gewichtung nach der Marktkapitalisierung ist die Einfachheit der Methode, die auch nachweislich funktioniert. Das regelmäßige Rebalancing innerhalb des Aktienanteils erfolgt sozusagen automatisch, das die Berechnung der Gewichtung sehr einfach erfolgen kann. Steigt ein Land vom Status eines Schwellenlandes zur Industrienation auf, so wird es automatisch in den entsprechenden Index aufgenommen. Nachteil ist, dass Unternehmen, die nicht an den Börsen notiert sind, überhaupt nicht beachtet werden, obwohl sie einen signifikanten Anteil an der Weltwirtschaft stellen. In Deutschland ist beispielsweise der große Teil der mittelständischen Unternehmen nicht an einer Börse gelistet. Ein weiterer Nachteil ist die eventuell starke Über- oder Untergewichtung einzelner Länder.
Gewichtung nach BIP
Unter BIP (Engl. GDP, gross domestic product) versteht man das Bruttoinlandsprodukt, das den Gesamtwert der innerhalb eines Betrachtungsjahres erbrachten Wertschöpfung eines Landes angibt. Die wirtschaftliche Leistung eines Landes und seiner Unternehmen stehen also im Vordergrund, nicht die Börsenwerte, die nicht immer die tatsächliche Leistung eines Unternehmens abbilden. Die Gewichtung nach dem BIP stellt eine alternative Methode dar, nach der man sein ETF-Portfolio zusammenstellen kann. Hierdurch erhalten die Schwellenländer einen deutlich höheren Anteil im Portfolio, nämlich etwa 39%. Die Industrieländer stellen entsprechend nur noch einen Anteil von 61%.
Der Vorteil der BIP-Gewichtung ist die genauere Abbildung der Weltwirtschaft, die eben auch die nicht-börsennotierten Unternehmen mit einbezieht. Nachteilig ist, dass ein BIP-gewichtetes Portfolio regelmäßig rebalanced werden muss. Die BIPs der einzelnen Länder ändern sich recht oft und unter Umständen auch recht stark. Lohnt sich der Aufwand? Die Schwankungsbreite im Portfolio wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ansteigen, da die Schwellenländer grundsätzlich eine größere historische Volatilität zeigen als die Industrieländer. Auf der anderen Seite erwachsen hiermit auch höhere Renditechancen.
Vergleich BIP-Gewichtung vs. Marktkapitalisierung
Region | Gewichtung nach Marktkapitalisierung | Gewichtung nach BIP |
USA | 55% | 28% |
Europa | 21% | 23% |
Pazifik / Asien | 12% | 10% |
Schwellenländer | 12% | 39% |
Historische Performance von BIP-gewichteten Indizes
Die historische Performance eines Index sagt selbstverständlich nicht automatisch die Zukunft voraus, bietet aber einen Anhalt. Die haben sich BIP-gewichtete Indizes gegenüber solchen, die nach Marktkapitalisierung gewichten, geschlagen? Wir vergleichen den MSCI ACWI (Gewichtung nach Marktkapitalisierung) mit dem MSCI ACWI GDP Weighted (Gewichtung nach BIP). Sehen Sie selbst:
Leider sind nur Daten zu einem relativ kurzen Zeitraum verfügbar, nämlich seit 2006. Dennoch ist die Grafik recht aussagekräftig: Hätten wir uns den Chart im Jahr 2011 angesehen, so hätten wir eine Outperformance des BIP-gewichteten Index erkannt. Seitdem performt der Index jedoch schlechter als der „ganz normale“ ACWI, und die Abweichung wurde ab dem Zeitpunkt der Coronakrise noch einmal deutlich größer. Können wir hiervon auf die zukünftige Entwicklung schließen? Nein. Aber wir können uns fragen, ob eine eventuelle Umstellung eines bestehenden Portfolios auf BIP-Gewichtung lohnt, wenn eine bessere Rendite nicht unbedingt zu erwarten ist. Und wir können uns fragen, ob der durch das erforderliche, regelmäßige Rebalancing innerhalb des Aktienanteils (denn Rebalancing bezüglich des risikolosen Portfolioanteils fällt ja sowieso schon an) verursachte Aufwand gerechtfertigt ist.
Fazit
Ob Sie Ihr Portfolio nach Marktkapitalisierung oder nach BIP gewichten, bleibt letztlich Ihnen überlassen. Wenn Ihnen die Gewichtung einzelner Länder u/o Regionen im Portfolio zu groß ist, dann könnten Sie alternativ zum Wechsel zur BIP-Gewichtung allerdings auch einige Regionen-ETFs zusätzlich ins Depot holen oder beispielsweise einen Small Cap ETF zufügen.
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