Warum der MSCI World im Depot nicht ausreicht

Der MSCI World Index gehört – zu Recht – zu den am häufigsten in den Depots von privaten Anlegern vertretenen Indizes. Bei vielen Investorinnen und Investoren ist ein ETF auf diesen Index allerdings der einzige Portfoliobestandteil. Dies funktioniert, und zwar mit hoher Sicherheit auch langfristig. Es hat aber auch durchaus Nachteile und versteckte Risiken, wie ich in diesem Artikel zeigen möchte.

Hierzu möchte ich gern einmal die sehr interessante Argumentation von Dr. Andreas Beck – Finanzmathematiker und Portfoliomanager – zusammenfassen, der aktuell sehr aktiv in den sozialen Medien ist. Er legte kürzlich seine Ansichten unter anderem in einem Interview mit meinem Namensvetter René vom Youtube-Kanal René will Rendite dar.

Beck stellt heraus, dass der MSCI World Index als alleinige Komponente das ETF-Portfolio sehr anfällig für Kapitalmarktblasen ist und ein aktuell zwar gut funktionierendes, aber auch einseitiges Portfolio liefert.

Um dies zu begründen, müssen wir uns einerseits vom einzelnen Unternehmen und seinen individuellen Risiken und Problemen aus auf den Weg machen. Denn Aktien-Indizes wie der MSCI World bestehen letztlich aus einem Bündel an Einzelunternehmen. Andererseits müssen wir uns die genaue Indexzusammensetzung einmal im Detail anschauen.

Das Unternehmen als Basis der Aktienindizes

Ein einzelnes Unternehmen befindet sich in einer Umgebung kontinuierlich zunehmender Unsicherheit. Ursächlich hierfür ist das ständig steigende Innovationstempo, das die durchschnittliche Lebensdauer der Unternehmen verkürzt: Mehr Innovation in kürzerer Zeit sortiert beispielsweise bestehende Technologien, die sich in Produkten niederschlagen, welche die Unternehmensumsätze und -gewinne generieren, regelmäßig aussortieren und durch neue und bessere ersetzen.

Eine zentrale Eigenschaft des Kapitalismus ist, aus Krisen stets gestärkt hervorzugehen, und zwar durch Bereinigung: Unternehmen, die nicht anpassungsfähig sind, sich in einem dynamischen Umfeld nicht als ausreichend flexibel erweisen, verschwinden regelmäßig vom Markt. Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter sprach bereits in den 1940er Jahren in diesem Zusammenhang von einer „schöpferischen Zerstörung“, die in jeder ökonomischen Entwicklung wirken muss: Durch eine Neukombination von Produktionsfaktoren werden alte Produkte, Strukturen und Prozesse zerstört und verdrängt. Was übrig bleibt, ist effizienter, effektiver und widerstandsfähiger als das Ursprüngliche.

Zusätzlich steigt die Unsicherheit für ein Unternehmen mit der fortschreitenden Globalisierung. Die aufstrebenden Märkte – allen voran derzeit China – haben in Westeuropa und Nordamerika zu einem buchstäblichen Aussterben ganzer Industriezweige geführt, die irgendwann (besonders preisbezogen) nicht mehr konkurrieren konnten.

Trotz dieser zwei Bedrohungen für das einzelne Unternehmen werden Innovation und Globalisierung – in den meisten Fällen zu Recht – als positiv angesehen. Denn die Weltwirtschaft als Ganzes betrachtet wird durch diese Faktoren effizienter, stärker, stabiler und bietet neue Gewinnchancen.

Fazit: Ein einzelnes Unternehmen bewegt sich stets in einem gefahrvollen Umfeld, die Weltwirtschaft als Gesamtsystem hingegen wird genau durch diese Gefahren immer stabiler. Beck spricht hier von „Ultrastabilität“, Nasim Taleb etwa von „Antifragilität“.

Da wir als Investoren (siehe oben) nicht wissen können, welche Unternehmen oder Länder (aber auch Branchen) es als nächstes positiv oder negativ „erwischt“, bleibt uns nur ein Ausweg: Ein langfristig ausgelegtes Portfolio muss bestmöglich die gesamte (!) Weltwirtschaft abbilden, um von der immer stärker werdenden Stabilität zu profitieren und gleichzeitig die Risiken der Einzelländer, Einzelbranchen, Einzelregionen zu reduzieren. Dies erfordert mithin, dass das Portfolio nicht nach dem Börsenwert der Unternehmen, Staaten etc. gewichtet wird, sondern es müssen die Unternehmensgewinne zugrunde gelegt werden.

Der MSCI World als einseitiges Portfolio

Die Kernaussage ist nun, dass wir, um ein wirklich stabiles ETF-Portfolio zu erhalten, die gesamte Weltwirtschaft abbilden müssen. Der MSCI World leistet dies nicht, auch wenn er als Portfoliobestandteil sehr gut funktioniert und weiterhin funktionieren wird.

Um dies zu verdeutlichen, schauen wir uns einmal an, woraus der MSCI World Index besteht.

Als Anleger muss ich mich, so Beck, für ein Modell entscheiden, mit welchem ich die Weltwirtschaft in meinem Depot abdecken will. Der MSCI World Index bietet als Modell die 1.600 größten Unternehmen der Welt aus Industrieländern, die er nach dem Faktor Marktkapitalisierung, sprich ihrem Börsenwert, gewichtet. Kann man machen, funktioniert seit vielen Jahren sehr gut. Dieses einfache Modell ist seit vielen Jahren in der Lage, den sehr großen Anteil aktiv gemanagter Fonds nachhaltig zu outperformen.

Was sind die Nachteile des MSCI World Index? Hiervon gibt es drei:

  1. Ich lasse die kleinen Unternehmen vollkommen unberücksichtigt. Dabei sind es gerade diese Unternehmen, die sich durch eine sehr hohe Innovationskraft auszeichnen, welche (siehe oben) unter Umständen auch große Platzhirsche langfristig bedroht.
  2. Ich lasse Schwellenländer völlig unberücksichtigt, obwohl diese viel höhere Wachstumsraten aufweisen als die Industrieländer, zukünftig also deutliche Gewinnsteigerungen erwarten lassen.
  3. Die Gewichtung nach Marktkapitalisierung führt dazu, dass die an der Börse teuersten Unternehmen im Index die größten Anteile aufweisen.

Besonders der 3. Punkt ist interessant, was versteckte Risiken angeht. Es gibt nämlich eine Gemeinsamkeit aller bislang aufgetretenen Blasen an den Aktienmärkten: Sie wurden immer dann ein Problem, wenn sich die Bewertungen der Unternehmen – also ihre Aktienkurse – deutlich von den Unternehmensgewinnen abkoppelten. Immer dann, wenn dieser Sachverhalt „plötzlich“ auffiel, platzte die Blase, und die Märkte brachen ein.

Gewichte ich stets die teuersten Aktien in einem Index am stärksten, so laufe ich also Gefahr, mit Volldampf in eine Blase hineinzulaufen.

Als einschlägiges Beispiel führt Beck hier den Fall Japan an. 1989 hatte die japanische Wirtschaft im MSCI World eine Gewichtung von mehr als 50%. Am 29.12.1989 notierte der japanische Nikkei Index auf seinem Allzeithoch. Dann kam die japanische Bankenkrise: Der Nikkei stürzte massiv ab. Noch heute, 30 Jahre nach der Krise, steht der Nikkei bei -36%, verglichen mit seinem damaligen Allzeithoch. Der MSCI World stürzte im Zuge der Bankenkrise eines einzelnen Staates um 16,5% ab. Sollte diese Abhängigkeit von einem einzelnen Land nicht eigentlich durch die hohe Streuung des Index stark reduziert sein?

Doch, auch heute haben wir – was die Gewichtung angeht – eine derartige Situation: Die USA sind mit derzeit etwa 66% Gewicht im MSCI World Index vertreten. Eine Handvoll Unternehmen, Amazon, Apple, Facebook, Microsoft etwa, dominieren sehr deutlich. Haben wir aktuell also auch eine Blasenbildung? Beck sagt hierzu ganz klar: Nein. Denn die Entkopplung von Gewinnen und Preisen ist derzeit nicht gegeben. Immerhin 45% der gesamten Unternehmensgewinne im MSCI World gehen auf die USA zurück.

Dennoch, das Grundproblem wird ersichtlich: Der MSCI World Index bietet ein etwas einseitiges Portfolio, was ok, aber eben mit Risiken behaftet ist. Was ist, wenn die Riesengewinne der oben genannten Unternehmen, die schon fast monopolartig anmuten und immer mehr Politikerinnen und Politikern ein Dorn im Auge sind, einbrechen? Etwa weil immer lauter werdende Regulierungsanstrengungen in die Tat umgesetzt werden? Dann sieht es vielleicht mittelfristig schlecht aus.

Der Weg zum echten Weltportfolio

Ok, wir haben erkannt und befunden, dass ein MSCI World ETF allein eventuell nicht ausreicht, um langfristig ein stabiles Portfolio zu bieten. Was können wir tun?

Wir brauchen eine Kombination an Indizes beziehungsweise ETFs, die wirklich die gesamte Weltwirtschaft abbildet, also alle Länder, alle Unternehmensgrößen, und wir sollten eher nach Unternehmensgewinnen gewichten, als nach Marktkapitalisierung. Praktisch kann das ganz einfach erfolgen: Wir kombinieren unseren MSCI World ETF mit weiteren börsengehandelten Fonds.

Ein MSCI World ETF bekommt also Gesellschaft: Wir nutzen zusätzlich einen MSCI Emerging Markets ETF, vielleicht sogar direkt die IMI Variante, sowie einen MSCI World Small Cap ETF. Wer die Gewichtung der USA absenken möchte, der nimmt sich einen ETF auf den Stoxx Europe 600 mit hinein. Ein beispielhaftes Portfolio kann also so aussehen:

IndexGewichtungBeispiel-ETF
MSCI World40%iShares Core MSCI World UCITS ETF USD (Acc) (WKN A0RPWH)
MSCI EM IMI20%iShares Core MSCI Emerging Markets IMI UCITS ETF (Acc) (WKN A111X9)
MSCI World Small Cap20%iShares MSCI World Small Cap UCITS ETF USD (Acc) (WKN A2DWBY)
Stoxx Europe 60020%Lyxor Core STOXX Europe 600 (DR) UCITS ETF Acc (WKN LYX0Q0)

Wir erhalten folgendes Ergebnis:

Der MSCI World ETF bildet die Industriestaaten mit ihren großen Unternehmen ab. Der MSCI EM IMI ETF trägt Schwellenländer bei. IMI steht für Investable Markets Index. Der Index beinhaltet insgesamt 3.250 große, mittlere und auch kleine Unternehmen von 27 Schwellenländern und deckt damit etwa 99% der Marktkapitalisierung der Schwellenländer ab. Der MSCI World Small Cap ETF bringt die kleinen, innovativen Unternehmen der Industrieländer ins Depot. Zuletzt wird mit dem Stoxx Europe 600 ETF der europäische Raum höher gewichtet, um die die Dominanz der USA im Portfolio zu senken und implizit auch die Dominanz der Größen im Hinblick auf die Marktkapitalisierung reduzieren.

Wie sieht es mit der Gewichtung der einzelnen Länder aus? Die nachfolgende Tabelle offenbart einige wesentliche Vertreter und ihren Anteil an der abgebildeten Marktkapitalisierung im Portfolio:

LandGewichtung im 4-ETF-PortfolioGewichtung nur im MSCI World
USA38,4%66,57%
Japan4,8%6,9%
China6,9%
UK4,6%
Frankreich3,4%

Mit diesen 4 ETFs können wir die beschriebenen Schwachstellen des MSCI World also stark reduzieren. Wir erhalten ein Portfolio, das einer weltweiten Streuung eher entspricht und die Weltwirtschaft tatsächlich ins Depot bringt.

Geht es nicht mit weniger ETFs?

Ein großer Kritikpunkt am vorgestellten Weltportfolio könnte sein, dass es ganze 4 ETFs benötigt, um die Idee zu verwirklichen. Und andere Assetklassen wie Anleihen, Immobilien-ETFs oder – wer sie möchte – auch Rohstoffe sind noch gar nicht enthalten.

So stellt sich die Frage: Geht’s denn nicht mit weniger ETFs?

Dr. Andreas Beck schlägt ein Portfolio aus 2 ETFs vor, um ein vollständiges Investment in die „Welt-AG“, wie er die Weltwirtschaft gern bezeichnet, zu realisieren:

IndexGewichtungBeispiel-ETF
MSCI ACWI85%iShares MSCI ACWI UCITS ETF USD (Acc) (WKN A1JMDF)
MSCI World Small Cap15%iShares MSCI World Small Cap UCITS ETF USD (Acc) (WKN A2DWBY)

Wir erhalten folgendes Ergebnis:

Der MSCI ACWI enthält große und mittlere Unternehmen aus 23 entwickelten Ländern und 27 Schwellenländern. Mit aktuell 2.986 Unternehmen deckt der Index 85% der weltweiten Marktkapitalisierung ab. Hinzu kommt ein Small Cap ETF, denn diese Unternehmen fehlen im Portfolio noch.

Wie sieht es mit der Gewichtung der einzelnen Länder aus? Die nachfolgende Tabelle offenbart einige wesentliche Vertreter und ihren Anteil an der abgebildeten Marktkapitalisierung im Portfolio:

LandGewichtung im 2-ETF-PortfolioGewichtung nur im MSCI World
USA59%66,57%
Japan6,6%6,9%
China4,2%
UK3,2%
Frankreich2,6%

Die USA werden gegenüber dem MSCI World etwas abgewichtet, um ihrem Anteil am weltwirtschaftlichen Gewinn von 45% näherzukommen. Der Fokus liegt nun nicht allein auf den Big Players, sondern auch auf kleinen Unternehmen, was die Streuung nochmals deutlich verbreitert.

Beiden Portfolios sollte es gelingen, die Schwachstellen des alleinigen MSCI World auszuhebeln und damit besser gewappnet zu sein gegen eine Blasenbildung in Teilen oder der Gesamtheit des Aktienmarktes. Das erste der vorgestellten Portfolios streut noch einmal deutlich breiter und reduziert die Dominanz der USA signifikant. Es benötigt allerdings mindestens 4 ETFs, um die Strategie umzusetzen.

Das zweite Portfolio stellt eine elegante, minimalistische Investmentstrategie dar, mit der ich als Investor in die Wirtschaft der gesamten Welt investieren kann. Es kommt mit nur 2 ETFs aus, die bei Bedarf natürlich ebenfalls noch um weitere Fonds ergänzt werden können.

Tipp:

Dr. Andreas Beck hat ein kürzlich ein neues Buch mit dem Titel „Erfolgreich wissenschaftlich investieren“ veröffentlicht, das er als eBook auf seiner Website zum kostenlosen Download anbietet. Es lohnt sich unbedingt, das zu lesen!

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